Krisenkommunikation vs. Misstrauen: Finanzmärkte 2011

Gastartikel von Sandro Valecchi

„So etwas habe ich in meinem ganzen Berufsleben noch nicht erlebt, eine einmalige Situation!“, erklärt ein erfahrener Aktienhändler am 09.08.2011 resigniert im TV. „Von der größten Krise seit dem Ende des 2. Weltkrieges“, sprach EZB-Präsident Trichet. Bereits am 08.08.2011 hatte das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) mit einem scharfen, aber in der Sache völlig zutreffenden Kommentar von Elmar Theveßen die Politik zum Handeln gemahnt: „Weshalb es überhaupt so weit kommen musste, liegt an den Verfehlungen der Politik – keine klaren Aussagen und immer die gleichen Beschwichtigungen!“

Für Europa hatten die G-7-Finanzminister sich im Ergebnis der letzten, kurzfristig anberaumten Telefonkonferenz dahingehend positioniert, einstimmig und falls nötig gemeinsam Liquidität sowie Stabilität an den Finanzmärkten zu gewährleisten, ferner auch für Wirtschaftswachstum Sorge zu tragen. Dies umfasse, falls notwendig, eine gemeinsame Intervention am Devisenmarkt. Frankreich stellt aktuell und turnusgemäß den Vorsitz der G-7 Staaten. Die EZB bewerte es positiv, dass die Sparpläne in Italien und Spanien zur Marktberuhigung beitragen und es legitim ist, beiden Ländern zu helfen. Im Kampf gegen eine Panik an den Märkten ist die Europäische Zentralbank (EZB) vorgestern mit einem eigenen geldpolitischen Entspannungsprogramm aktiv geworden. Mit Ankäufen von Staatsanleihen, zunächst spanische und italienische, hat die EZB Händlern zufolge zu einer Beruhigung an den Kapitalmärkten beigetragen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy hatten am Sonntag, 07.08.2011, in einer gemeinsamen Erklärung die vollständige Umsetzung der auf dem jüngsten Euro-Krisengipfel vom 21.07.2011 gefassten Beschlüsse bekräftigt. Diese sehen unter anderem vor, dass der Euro-Rettungsfonds künftig Schulden von Staaten der Euro-Zone auf dem Markt aufkaufen darf. Außerdem soll der Fonds angeschlagenen Staaten im Gegenzug für Reformen bereits vorsorglich Kredite bereitstellen können. Eine „vollständige und zügige Umsetzung der angekündigten Maßnahmen“ sei für die Wiederherstellung des Vertrauens der Märkte maßgeblich. Außerdem begrüßten Merkel und Sarkozy die von Italien und Spanien angekündigten „Maßnahmen zur schnelleren Haushaltskonsolidierung und zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit“. Am Abend des 09.08.2011 gab die Bundesregierung ihre Initiative für eine „gemeinsame Stabilitätskultur“ mit der Institutionalisierung eines EU-Stabilitätsrates bekannt, die auf der Grundlage der Maastricht-Kriterien in währungs- und geldpolitischen Fragen zukünftig operieren soll.

Systemische Risiken und Gefahren, etwa Wetten und Spekulationen auf Staatsanleihen, sog. Leerverkäufe, wurden allerdings bisher nur in Italien und Griechenland untersagt. Ein systemischer Schwelbrand dürfte zudem die Ignorierung der Folgen der Finanzkrise 2008 sein, die bis heute nicht ausgestanden ist. Der Zinsdienst als Folge der Staatsverschuldung in den EU-Ländern schränkt ihre Handlungsspielräume immer weiter ein. Selbst das vergleichsweise solide Deutschland braucht bereits jeden fünften Euro für den Kreditdienst.

„Wir werden immer ein „AAA-Land“ bleiben“, erklärt demonstrativ US-Präsident B. Obama unmittelbar nach der Herabstufung der US-Bonität und versucht damit Zuversicht zu verbreiten, selbst wenn es für einige Beobachter so wirkt wie: „I have a dream“. In einer Ansprache beschwor er die Stärke der US-Wirtschaft. Die Probleme seien „lösbar“. Wichtig sei, den politischen Stillstand zu beenden und das längst bekannte Schuldenproblem zu lösen. US-Finanzexperten fordern ein drittes Anleiheaufkaufprogramm („Quantitative Easing 3“ – kurz: QE3), doch das dürfte am Widerstand einiger FOMC-Mitglieder scheitern, die bereits die zweite Geldschwemme wegen der damit einhergehenden Inflationsgefahren kritisierten. Analysten halten deshalb eine dritte Geldschwemme, ein „QE3“, für wenig wahrscheinlich.

Anders als in Europa will die US-Administration vom einen Aufkaufprogramm für Staatsanleihen zunächst Abstand nehmen und stattdessen bei der sog. „Null-Zins-Politik“ zur Belebung der Wirtschaft bleiben (dies entspricht einem Zinssatz von 0,0 bis 0,25 %, der bis 2013 eingefroren werden soll). Die Offenmarktausschuss der Federal Reserve (Fed) hatte diesen niedrigen Leizinssatz während der globalen Finanzkrise im Dezember 2008 als geldpolitisches Instrument für die US-Ökonomie ins Spiel gebracht. Die Notenbank hat nur begrenzte Möglichkeiten, die Wirtschaft zu unterstützen.

„Dies wird als Instrument zur Belebung der angeschlagenen US-Wirtschaft kaum ausreichen“, meint Sandro Valecchi vom SKY FINANZ AG. Im Rahmen der Vereinbarung mit den Republikanern, dem „Deal“, den so keiner wollte, erklärte US-Obama den Verzicht auf Steuererhöhungen. Was die sog. Streichliste mit Vorschlägen für Einsparungen angeht, hat die „Super-Commission“ Zeit bis 14.11.2011. Die Spirale der Verschuldung dreht sich in den USA somit unvermindert weiter und allen Analysten ist klar: es ist ein Lauf gegen die Zeit.

„Künftige Generationen werden in den Geschichtsbüchern für das Jahr 2011 nachlesen können: Entweder, wie wir es so gerade eben geschafft hatten, die internationale Finanzkrise 2011 zu überwinden oder die Geschichtsbücher berichten, wie wir es vermasselt haben“, meint Sandro Valecchi von SKY FINANZ.

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